Das würde sie umbringen.

„Nein, weißt du, das würde sie umbringen.“ Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Er hatte seine Mutter zu seiner Körpertherapeutin geschickt. Vordergründig wegen deren Rückenschmerzen. Hintergründig, weil er gehofft hatte, dass sie in ihr auch einen solch tiefgreifenden Wandel auslösen würde wie in ihm. Mit ihren Zauberhänden. Schließlich hatte er oft gedacht, wenn dieser steinharte Panzer rund um seine Mutter mal ins Wanken käme, dass dann noch alles wieder gut werden könnte. Und nun wollte seine Therapeutin nicht. Sie wollte gerne die Rückenschmerzen seiner Mutter lindern, aber tiefer gehen würde sie nicht. Sie konnte das spüren, ob es Spielräume gab für Veränderungen. Und bei seiner Mutter, da war sie sich sicher, da gab es diesen Spielraum nicht. Wenn seine Therapeutin zu tief in ihre Spannungen greifen würde, mit den Händen, würde seine Mutter nicht mehr wiederkommen und behaupten, dass die Therapie gegen die Rückenschmerzen nicht geholfen habe. So wie sie es bisher mit allen Therapeuten und Therapeutinnen getan hatte. Immer, wenn er dachte, jetzt kommt was in Bewegung, wie toll!, immer dann hat sie die Behandlung frustriert und mit viel Vorwurf und Beschuldigungen abgebrochen. Dass dies für sie überlebensnotwendig sein könnte, dass sie gar nicht anders konnte, das hatte er noch nie bedacht. Aber es leuchtete ihm sofort ein. Ja, es würde sie umbringen. Und nein, das wollte er ja auch nicht. Sollte sie doch hinter ihrem Panzer noch ein wenig leben. Eine Beziehung zu ihrem Sohn würde das dann wohl somit doch nicht mehr werden. Aber nachdem seine Therapeutin ihm diese überraschende Antwort gegeben hatte, konnte er besser damit leben.