Der Traum.

Über viele Jahre, Jahrzehnte, hat er den immer gleichen Traum geträumt. In dem Traum hat er sein noch leeres Grab besucht, auf dem Friedhof der Psychiatrie. Das Loch schon gegraben, Unkrautblumen am Rand, Farn in den steilen Wänden. Bereit, ihn jederzeit aufzunehmen. Jederzeit.

Seit ein paar Jahren hat er ihn nicht mehr geträumt, diesen Traum. Er denkt jetzt sogar, dass er alt werden könnte. Neunzig oder so. Gerade mal Halbzeit. So sehr hat sich sein Gefühl verändert, die Bilder und Vorstellungen. Das Grab in der Psychiatrie, das hat er schon beinahe vergessen.

Und nun hat es seinen Sohn erwischt.

Das Grab kriegt wieder Blumen. Das halb eingefallene Loch wird neu ausgehoben. Die Umgebung ist wild, wilder als früher. Der Friedhof kaum noch sichtbar, die Gräber verwildert. Das Gebäude daneben, die alten Mauern, die sind gleich geblieben. Mit den winzigen vergitterten Fensterchen.

Er träumt wieder. Nacht für Nacht. Und sieht seinen großen schönen starken Sohn ins Grab sinken, auf dem Friedhof der Psychiatrie. In das Grab, das eigentlich für ihn gewesen wäre. Das Grab ist zu klein für seinen Sohn, der Körper muss zusammengefaltet werden. Puppenspiel. Er spielt nicht.

Es regnet, das Loch füllt sich mit Wasser. Erde fließt den Wänden lang nach unten. Die Puppe schwimmt. Es ist längst nicht mehr sein Sohn. Es ist Großmutter und Großvater. Es ist seine Mutter, sein Bruder. Und immer wieder sein eigenes Gesicht. Im Wasser. Im Schlamm.

Er möchte nicht mehr träumen. Er war doch schon mal draußen gewesen.