Diese feinen Härchen.

Diese feinen Härchen. Babyhaare, Greisenhärchen. Die Zeiten überlappen sich. Die letzte Nacht von Großmutter. Die ersten Nächte mit dem Baby. Die späteren ins Bett bringen Zeiten, kleine Kinder, sehr kleine Kinder, ewas größere Kinder. Die Haare verknotet, voller Marmelade, mit einer Weigerung fürs Kämmen, fürs Haarewaschen. Heute sind Teller geflogen, Scherben in der Küche, im Flur. Sie weiß nicht mehr, wie es war, mit den Babyhaaren. Die Zeiten scheinen so wenig miteinander gemein zu haben. Wohin mit dem Kind, das wütet und tobt, Dinge zerreisst und zerschmeisst, die liebsten Menschen beschimpft mit ärgsten Worten, deren Bedeutung das Kind noch nicht mal kennt, die liebsten Menschen bedroht, mit Gegenständen, mit Fäusten, mit Tellern und Gläsern. Mit purer Lautstärke. Manchmal weiß sie nicht mehr wohin mit sich. Mit dem Brüllen in ihrem Hals, das sie heiser werden lässt, also hat sie tatsächlich gebrüllt, und nicht zu knapp wahrscheinlich. Bedroht von fliegenden Tellern, schneidet sie kaum noch etwas mit, weder die Not des Kindes, noch ihre eigene.

Sie hat das Kind ins Bett gebracht. Die Haare gestreichelt. Sich an Babyhaare erinnert. An Großmutters Greisenhärchen, in ihrer Todesnacht. An ihre eigenen Haare, durchzogen von grau, als würde sie weiß in diesen Wochen. Sie hat die Haare gestreichelt, von ihrem Kind. Die Wangen, die Hände. Und sich kaum noch vorstellen können, was vormittags war. Wie ausgelöscht, schon fast vergessen.

Sie öffnet die Balkontür, eine Doppelfenster-Flügeltür, jede Menge Riegel zu öffnen. Sie tritt hinaus, zu den langsam eintrocknenden Blumen, den letzten Astern in voller Blüte, den Sternen am Himmel, den letzten Flugzeugen vom Flughafen Tegel. Manche Dinge verändern sich über Nacht.