Eingesperrt.

Der Radius wird auf 15 Kilometer beschränkt. Sie hätte nicht gedacht, dass das gleich zum Kotzen reicht. Und es hat. Sie hat sich über die Kloschüssel gebeugt und die Müslireste vom Frühstück ausgespuckt. Zusammen mit dem schwarzen Tee, der sie wachhalten sollte. Nach einer schlaflosen Nacht. Eine ziemlich schwärzliche Brühe. In der Nachbarwohnung tobt ein Kind. Heulen Schreien Kreischen gegen die Wände hauen. Immer wieder. Jeden Tag. Sie kann es nicht mehr hören. Sie möchte nicht das Kind sein, natürlich nicht. Auch nicht die Eltern, um keinen Preis. Und dennoch. Sie möchte gegen die Wände schlagen. Ein Ultimatum stellen. Nun darf sie nicht mal mehr zum See. Am See hat sie ihren Lieblingsplatz. Sie nimmt jeweils das Rad, fährt zwei Stunden über die Felder, setzt sich eine Weile ans Wasser bis ihr kalt wird, und fährt zwei Stunden zurück. Sie radelt schnell. Der See ist deutlich weiter weg als 15 Kilometer, auch vom Dorfrand aus gerechnet. Sie weiß nicht, wie sie das überleben soll. Eingeschlossen zu werden in einem kleinen Dorf, das sie sich nicht selber ausgesucht hat, in das sie gesetzt wurde für ihr Vikariat, bevor sie als Pfarrerin endlich wieder selber wählen kann, ein bisschen wenigstens, wo sie jetzt arbeiten möchte. Nun darf sie nicht mal mehr reinfahren, nach Berlin. Sie lebt im Hotspot, was kann sie denn dafür. Sie wurde als Kind eingesperrt, was kann sie denn dafür. Sie wird das nicht überleben, in diesem Dorf eingesperrt zu werden. In der Stadt kommt ja kein Ordnungsamt mehr hinterher, aber hier draußen, hier haben die Beamten Zeit. Ordnungsamt oder Polizei werden den See kontrollieren. Weil viele zum See fahren. Und der Spielplatz auf der andern Seeseite auch die Familien anzieht. Von allen Dörfern ringsum. Alle mehr als 15 Kilometer entfernt. Wie soll das nur werden. Wenn sie jetzt schon das Kotzen ankommt. Und die Regel gilt doch gerade erst.