Sie saß alleine am Küchentisch, ein Glas Rotwein vor sich, die Flasche auf der Küchenablage. Kein Buch, kein Heft, nichts. Ein Blick durchs Fenster in die Nacht. In die Leere. Ein Glas Rotwein nach dem andern. Der Mann verreist, mit den Kindern. Alleinsein hat sie noch nie gut vertragen. Obwohl sie gerne öfter allein wäre.
Plötzlich fühlt sie sich beobachtet. Als würde jemand durch den Briefkastenschlitz in der Tür hindurchsehen. Sie hatte ihn schon lange mal verkleben wollen, von innen. Keiner warf mehr Post durch den Schlitz, die Briefkästen standen im Hof. Und nun die Geräusche an der Tür, als würde einer dort knien und seinen Kopf anlehnen. Sie fühlte seine Augen im Rücken.
Seine. Es war keine Frage für sie. Sie wusste nicht, wer es war. Aber ein Mann, da war sie sich sicher. Sie stand auf und ging zum Türspion, sah hinunter auf diesen knienden Mann, es war der Nachbar von nebenan, sie hatte ihn lange nicht gesehen. Obwohl er ihre Beine jetzt direkt vor Augen haben musste, stand er nicht auf. Da öffnete sie die Tür.
Sie öffnete ihm die Tür, als wäre er ein erwarteter Gast. Er fiel vorwärts in ihre Wohnung, als wäre er schwer verletzt. Sie half ihm aufstehen, da waren sie schon Hand in Hand. Sie goss ihm Wein ein, da stand er hinter ihr, die Hände an ihren Hüften. Hier kann uns jeder sehen, er sah aus dem Fenster, auf die Straße. Sie nickte. Er griff ihr an die Brust, sie wehrte sich nicht.
Sie sagte, ich könnte schwanger werden. Er lachte. Leise, in ihre Haare hinein. Ja, ich hätte gerne ein Kind von mir bei euch. Ich würde es ab und zu besuchen. Sie zögerte. Wirst du dann bei uns einziehen? Er schüttelte den Kopf. Sie spürte es, in ihren Haaren.
Sie trank den Wein aus seinem Glas, das er ihr an die Lippen hielt. In diesen Zeiten war es verboten, ein Glas zu teilen, unter Haushaltsfremden. Aber sie waren keine Haushaltsfremden mehr. Sie würden ein Kind zusammen haben.