Heute hat mich eine Oma auf dem Spielplatz umarmt und auf die Wange geküsst. Ich hatte Tränen in den Augen. Es ist nicht erlaubt. Und es war wunderschön! Mein ganzer Körper, jede Zelle hat gerufen: mehr davon, bitte mehr davon!
Ich vermisse die Umarmungen, von Freunden, von Nachbarn, von Müttern und Vätern und Omas auf dem Spielplatz. Ich wollte nicht über all das schreiben, was fehlt zurzeit. Und doch wird es so überdeutlich, sobald jemand das Tabu bricht, die Verordnung übertritt und sich menschlich verhält, zutiefst menschlich. Wir sind soziale Wesen, wir benötigen soziale Kontakte und physische Berührungen, existentiell, überlebensnotwendig, wie jedes Säugetier, auch der Mensch. Und nicht nur als Säugling, sondern immer, die Erwachsenen ebenso. Das ist Nervensystem.
Ich gehe in Richtung Trampolin, dort hüpfen meine Kinder. Plötzlich entdecken sie mich. Mama! Zwei Lockenkinder rennen auf mich zu, in den einen Arm, in den andern. Eine jubelnde Dreierumarmung. Wie schön! UND – ich hätte sie kaum wahrgenommen. Weil ich zurzeit zuviel davon kriege, von diesen Kinderumarmungen.
Aber heute hatte ich eine Freundin getroffen, zum Spazierengehen. Sie stand daneben, als meine Kinder auf mich zu gerannt kamen. Meine Freundin hält sich an die Verordnungen, sie wohnt alleine und vermisst Umarmungen, überhaupt irgend einen körperlichen Kontakt mit andern. Sie stand daneben, als meine zwei Lockenkinder sich an mich pressten, ich sie zurück presste, wir in dieser Dreierumarmung waren. Und plötzlich konnte ich wieder wahrnehmen, wieviel das ist. Welch ein Geschenk! Kinder um mich zu haben, in diesen furchtbaren Zeiten, in diesen zutiefst unmenschlichen Sozialkontaktbeschränkungen.
Sosehr ich mir oft und jeden Tag ein bisschen mehr Raum für mich wünschen würde – und nur für mich, für mich ganz allein – sosehr stand ich in dieser Dreierumarmung und konnte plötzlich wieder das Glück wahrnehmen. Jede Zelle, die sich öffnet. Und atmet. Haut an Haut. Als gäbe es keine Kleider. Fellhaare. Zwei winzige Äffchen, die sich einklammern in mein Fell. Wie warm sie sind. Wie sehr sie beschützt sein müssen, in allen Situationen. Auch in solchen.
Und Schutz könnte bedeuten, sie öfter Umarmungen auszusetzen, Verordnungen hin oder her. Schutz könnte bedeuten, mich selber öfter Umarmungen auszusetzen. Und das schlechte Gewissen einzustampfen. Weil wir nicht überleben können, ohne Umarmungen. Weder ich. Noch die Kinder.