Warten.

Er wartet. Den ganzen Tag. Er hat ihr diesen Brief geschrieben. Keinen Brief, eine E-Mail. Immerhin mehr als eine SMS. Eigentlich gilt das ja schon als Brief. Einen richtig richtigen Brief, das macht doch keiner mehr. Also auch er nicht. Obwohl er es sich überlegt hatte, das schon. Aber nein: eine lange E-Mail, klar formuliert, zwei Nächte lang drübergesessen. Vielleicht zwei Stunden zu lang, kann schon sein, gegen Ende hat er Dinge gelöscht und Sätze eingefügt, die vorher vielleicht besser gewesen wären. Aber das kann er jetzt nicht mehr ändern, senden hat er leider noch in der Nacht gedrückt. Vielleicht doch lieber einen Brief schreiben, beim nächsten Mal. Naja, wer weiß, vielleicht wäre er auch mitten in der Nacht noch losgelaufen, zum Kasten, und aus dem Kasten holen, das ging ja auch nicht. Die E-Mail war jetzt wenigstens sofort bei ihr, nicht erst irgendwann, wenn die Post es geschafft haben würde, trotz dieser seltsamen Zeiten mit Schichtdienst bei den Postbeamten. Die Mail war in ihrer Inbox, vielleicht hat sie sie schon gelesen, vielleicht brütet sie schon über einer Antwort, wer weiß. Er jedenfalls, er kann jetzt nichts mehr tun. Gar nichts mehr. Er hängt vor dem Computer rum, schaut sich Nachrichten an und klickt alle paar Minuten in die Mails, obwohl doch eine Benachrichtigung aufploppt, sobald eine neue ankommt. Er prüft dennoch nach, ob sie nicht vielleicht doch schon geantwortet hat, ob er nicht vielleicht ein aufgeplopptes Fensterchen verpasst hat. Kein guter Tag, das spürt er schon. Draußen scheint die Sonne, er kann sich nicht überwinden, rauszugehen. Er könnte ja ihre Antwort verpassen. Und vielleicht muss er dann ja sofort reagieren oder anrufen oder rübergehen. Das darf er sich auf keinen Fall entgehen lassen. Und wenn sie erst morgen antwortet? Oder in einer Woche? / Oder gar nicht? /