Einrad fahren.

Sie hat ihr Einrad aus dem Keller geholt. Sie kann es noch, es geht! Diese Freude im Körper. Und die Erinnerung an den Freund, der zwei Tage lang mit ihr die Straße auf und ab gelaufen war, ihre Hand auf seiner Schulter. Mit dem Einrad ist sie meist in den Wald gefahren. Wer sie nicht kannte, hat sie für einen Jungen gehalten, mit den kurzen Haaren. Mädchen hatten lange Haare zu haben. Mädchen fuhren auch kein Einrad. Und Mädchen hatten keine Hosen zu tragen. Dass sie sich keine Kleider und Röcke mehr anziehen ließ, seit sie sich handgreiflich wehren konnte, war ständiges Streitthema. Mutter fand ihre Fußballerbeine hässlich und die Kellerkleider furchterregend. Sie hatte sich etwas anderes vorgestellt. Wenn schon nicht einen Sohn, dann wenigstens eine anständige taugliche Tochter. Tauglich wofür? Fürs Verheiraten? Aber verheiratet wurden die Töchter schon lange nicht mehr. Wozu dann die Kleider? Für die Väter und Großväter? Sie kann böse werden, heute noch. Sie war nie nett genug, für Kleidchen.