Ich habe mich dazwischen gestellt.

Ich habe mich zwischen die Jugendlichen gestellt. Ohne zu zögern.

Ich habe mich dazwischen gestellt, obwohl sie alle einen Kopf größer waren als ich, einige um vieles schwerer. Zwei Mädchen, am Rand, der Rest schwarz gekleidete Jungs, die ganz plötzlich einen der Kleinsten aus ihrer Gruppe umringt haben, an den Metallzaun gedrückt, am Sportplatz, direkt am Spielplatz. Ihm ins Gesicht gefasst, den Kiefer gepackt, den Arm verdreht. Es sah alles andere als freundlich aus.

Ach was, das ist doch nur Spaß, das ist mein Cousin, das ist mein kleiner Bruder, wir haben ihn ganz doll lieb, Küsschen auf die Wange, siehste. Aber für mich, für mich sah das alles nicht nach liebhaben aus.

Sie sind wieder verschwunden, vom Spielplatz. Männer fragen mich, hinterher, was denn gewesen sei. Väter mit kleinen Kindern. Keiner ist dazwischen gegangen. Habe ich übertrieben?

Ich spüre, wenn einer Angst hat. Der Kleine hatte Angst. Ich kann Angst nicht ignorieren. Meistens lähmt sie mich, auch fremde, von außen miterlebte. Heute nicht. Heute bin ich aufgestanden, ohne zu denken, ohne zu zögern. Und habe mich dazwischen gestellt. Klein und schmal zwischen Großen. Ich habe mich keinen einzigen Moment gefährdet gefühlt. Als wären sie froh, dass eine etwas sagt. Als wären sie mir dankbar, auf eine seltsam verquere Weise.

Mein Blut wirft Blasen, jetzt noch, lange hinterher. Im Affekt habe ich mich nicht gespürt. Ich stand mitten drin, und es war in Ordnung. Als hätte es Raum gegeben, rund um mich. Als hätte man mir, MIR, ganz subtil ein ganz klein wenig Platz gemacht. Ein ganz klein wenig Achtung, unter all den rauen Reden. Es ging mir nicht schlecht, unter den Jungs. In einem schmalen Bereich habe ich mich sogar wohl gefühlt. Mich gebadet, in dieser Halbstarkenpower. Als könnte ich sie aufsaugen.

Ich habe mich dazwischen gestellt. Ohne Angst.

Das war gut.