Wieder der Müllwagen vor dem Haus. Manchmal habe ich das Gefühl, die kommen jeden Tag. Die Häuser zittern, der Lärm ist unangenehm. Ich möchte Stille. Und meine Wut kultivieren.
Wenn sie in Reinform wäre, ohne die ganze alte Verzweiflung und Trauer, wie würde sie wohl aussehen. Rot. Oder Gelb. Ich weiß es nicht mal. Schwarz. Vielleicht schwarz. Ein riesiges schwarzes Loch, in dem ich alle zusammenschlagen könnte. Eine Grube, wie früher, als Kinder. In großen Bandenkriegen haben wir uns stundenlang verprügelt, auf den Baustellen der neuen Häuser am Dorfrand, nach vier, wenn die Bauarbeiter gegangen waren. Mit langen Dachlatten aufeinander losgeprügelt, Lanzen und Spieße von richtigen Rittern. Wir Mädels mittenmang, mit genauso viel Kraft, genauso viel Wut, oder mehr noch. Von dieser puren Wut, die nur noch schwarz sieht, das Holz in der Hand, und rennen, und schlagen. Bis die eine oder andere der Banden als Sieger galt, für den jeweiligen Tag. Und wir auch noch ein paar freundliche Worte mit den Feinden wechseln konnten, auf dem Heimweg. Oder den ein und andern verarzten gehen, bei der ein oder andern Bauernhof-Oma. Die Großmütter auf den Höfen haben am wenigsten gefragt. Und nicht gleich diese Predigten gehalten. Verletzen konnte man sich überall, im Wald im Feld im Stall in der Scheune. Das gehörte dazu. Nicht so bei uns Häuschenleuten. Da war es unangenehm, verletzt nach Hause zu kommen. Und keine Erklärung bereit zu haben. Den Rausch des Kampfes konnte man nicht erzählen. Diese wunderbare pure Wut.
Schwerverletzte gab es nur ein einziges Mal, nachdem die andern unsere mühsam in tagelanger Arbeit in einen Erdhügel gegrabene, für die Bauarbeiter perfekt getarnte Höhle über Nacht zerstört hatten. Nicht im fairen Kampf, sondern heimtückisch hinterrücks nachts. Dafür gab es keine Entschuldigung. Das Holz wurde zu Metall, auf den Baustellen lag genug gefährliches Material. Waffen in den Händen von Kindern, die keine Regeln mehr kannten, nur noch Rache.
Ab da war es vorbei mit unseren wunderbaren Kämpfen und Kriegen auf den Baustellen, keiner ließ uns mehr unbehelligt spielen. Uns fehlte etwas. Die Wut verlegte sich in den Untergrund, auf den Pausenhof, unter Aufsicht. In diese fiesen Querelen, die so viel mehr verletzt haben als all die Hölzer auf den Baustellen.
Ich wünschte mir Baugruben. Für die Kinder. Und Wälder. Und Felder.