Der Bleistift meiner Großmutter.

Heute schreibe ich mit dem Bleistift von meiner Großmutter. Die Bleistifte von Großmutter stehen in dem kleinen Holzbecher, in dem sie immer in ihrer Küche gestanden haben. Sie sind fein säuberlich angespitzt, noch von Großmutters Hand. Der Holzbecher bemalt, auch von Großmutters Hand, mit winzigstem Pinsel, mit wunderbaren kleinen Blumen. Ich kann nicht so malen. Meine Großmutter wäre gerne Malerin geworden, sie hatte das Talent dazu. Sie hätte die Hartnäckigkeit gehabt, die mir manchmal fehlt, den starken Willen, eisern. Sie wäre eine gute Malerin geworden, da bin ich mir sicher. Aber dann kam der Krieg. Und alles war anders.

Als sie bereits Großmutter war, hat sie zum ersten Mal wieder kleine feine Pinsel in die Hände genommen. Blumen gemalt und Menschen. Alte Bilder nachgemalt, als wären es Originale.

Mein Kind weint, auf dem Spielplatz draußen. Der Bleistift von Großmutter gleitet zäh und viel zu langsam. Wird stumpf dabei. Und verliert die Hand von Großmutter, die eben gerade noch darauf gelegen hat, bevor ich diese fein säuberlich angespitzte Spitze aufs Papier gesetzt habe.

Ich werde wieder mit meinen Druckbleistiften schreiben, die Bleistifte von Großmutter zurück ins Regal stellen. Ich hänge an den Bleistiften, weil sie in Großmutters Küche gestanden haben, jahrzehntelang. Immer, IMMER frisch angespitzt. Und weil meine Großmutter damit geschrieben hat, jeden Tag. Einkaufslisten, kleine handgerissene Zettelchen. Und die Einträge im Geburtstagskalender, mit immer mehr Todestagen zwischen den Geburtstagen. Bis es kaum noch freie Tage gab im Jahr.